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Datenschutz: Unternehmen dürfen keinen Einblick in BEM Diagnosen haben

Beim betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) dürfen dem Unternehmen keine Diagnosen und / oder ähnlich sensible Daten ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Betroffenen zugänglich sein.

Diese klare Entscheidung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) traf das Landesarbeitsgericht LArbG Baden-Württemberg mit dem Urteil vom 20.10.2021, 4 Sa 70/20.

Im Folgenden gehe ich nicht auf den arbeitsrechtlichen Aspekte ein, ob nun eine Kündigung gerechtfertigt war oder nicht. Das entnehme man bitte dem Urteil (siehe unten).

Hier möchte ich nur auf die Aspekte des Datenschutzes eingehen.

Das Landesarbeitsgericht schreibt dazu in seinen Entscheidungsgründen ab Randnotiz (RN) 55 (Links vom Autor):

cc) Bezogen auf den erforderlichen Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung ist noch Folgendes zu berücksichtigen:

Die Klärung von Möglichkeiten zur Beendigung gegenwärtiger und Vermeidung neuer Arbeitsunfähigkeiten sowie zum Erhalt des Arbeitsplatzes ist nur möglich, wenn die beteiligten Akteure im möglichen Umfang Informationen über die Ausgangssituation haben. Daher ist das Erfassen dieser Ausgangssituation denknotwendig Bestandteil eines bEM. Zu beachten ist dabei aber, dass berechtigte Interessen des Beschäftigten gegen eine umfassende Informationssammlung sprechen können. Nicht zuletzt, weil es in der Regel um besonderer Kategorien personenbezogener Daten iSd. Art. 9 EU-DSGVO, insbesondere Gesundheitsdaten nach Art. 4 Nr. 15 EU-DSGVO geht, gehört zu den Pflichten des Arbeitgebers auch die Beachtung des Datenschutzes. Die Beachtung des Datenschutzes ist in § 167 Abs. 2 SGB IX zwar verklausuliert, aber dennoch ausdrücklich vorgeschrieben. Ihre Notwendigkeit ergibt sich zudem aus dem besonderen Spannungsfeld der in wesentlichen Teilen auch schon rechtlich geregelten Interessen, in dem das bEM notwendig angesiedelt ist. Dies sind insbesondere das Erkenntnisinteresse des Arbeitgebers an allen für die Leistungsfähigkeit des Beschäftigten relevanten Informationen und das Interesse des Beschäftigten am Erhalt seines Arbeitsplatzes auch bei gesundheitlicher Einschränkung. Auch ganz allgemein ist die Einhaltung datenschutzrechtlichen Anforderungen für eine vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit im Rahmen des bEM unerlässlich (FRR/Ritz/Schian SGB IX § 167 Rn. 29 und 30).

Bei der Organisation des Datenschutzes sind folgende Leitlinien einzuhalten. Der Arbeitgeber – und in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB I jede andere Person, die Personalentscheidungen treffen kann – darf ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen Zugang nur zu solchen Daten haben, die für den Nachweis der Erfüllung der Pflicht zum bEM erforderlich sind oder ohne die er seine Zustimmung zu geplanten Maßnahmen etc nicht erteilen kann. Diagnosen und ähnlich sensible Daten dürfen dem Arbeitgeber ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Betroffenen nicht zugänglich sein (FRR/Ritz/Schian SGB IX § 167 Rn. 44a und 45).

Ohne konkrete Einwilligung keine Einsicht

Konkret: Ohne Einwilligung des Betroffenen keine Einsicht in sensible Daten des Beschäftigten.

Ein einfaches Zustellen zum Einholen der „Einwilligung“ reicht nicht aus (RN 66):

Daran ändert sich auch nichts, weil nach dem ergänzenden Vorbringen der Beklagten das Einladungsschreiben und die Unterrichtung über die Datenerhebung und Datenverwendung in Zusammenhang gelesen werden müssten mit der BV-bEM.

Das Landesarbeitsgericht bleibt seiner Linie treu

Weiter führt das Landesarbeitsgericht aus, dass es zum Datenschutz mit dem Urteil des LAG Baden-Württemberg 28. Juli 2021 – 4 Sa 68/20 schon einmal ähnlich entschieden hat:

Vorliegend hat die Beklagte in der „Datenschutzerklärung“ versucht, von der Klägerin (hier: vom Kläger) eine Einwilligung nicht nur zur „Erhebung“ und „Nutzung“ (auch) von Gesundheitsdaten zu erlangen, sondern gemäß dem ersten Absatz auch zur „Bekanntmachung“ dieser Daten unter anderen gegenüber dem „Vorgesetzten“ und der „Standortleitung“. Die Einwilligung in die „Bekanntgabe“ von Gesundheitsdaten gegenüber dem „Vorgesetzten“ mag man vielleicht noch einschränkend auslegen können, dass dies nur gelten solle, wenn der Vorgesetzte als Teilnehmer des betrieblichen Eingliederungsteams (BET) herangezogen wurde. Im beigefügten Antwortschreiben hätte die Klägerin (hier: der Kläger) eine solche Beteiligung des Vorgesetzten ankreuzen können. Für eine „Bekanntmachung“ jedenfalls aller offenbarter Gesundheitsdaten (insb. Diagnosen) gegenüber der Standortleitung besteht dagegen kein nachvollziehbarer Grund. Hier reicht es aus, wenn der Arbeitgeber weiß, auf welche Einschränkungen er bei einer etwa gebotenen Umgestaltung von Arbeitsplätzen zu achten hat. Einer Kenntnis, auf welcher Diagnose diese Einschränkung beruht, bedarf er nicht. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer auch dem nicht im BET beteiligten Standortleiter freiwillig seine Gesundheitsdaten überlassen möchte iSd. Art. 9 Abs. 2 a; 7 EU-DSGVO. Dann muss dem Arbeitnehmer aber im besonderem Maße deutlich gemacht werden, dass dieser Teil der Einwilligung nur freiwillig ist, weil sie für die Zwecke der Durchführung des bEM nicht erforderlich ist, vergleiche Art. 7 Abs. 4 EU-DSGVO. Das ist vorliegend nicht der Fall.

 

Links

  • Landesarbeitsgericht LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2021, 4 Sa 70/20 – Link
  • Landesarbeitsgericht LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 28.7.2021, 4 Sa 68/20 – Link
  • Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM), Deutsche Rentenversicherung – Link
  • Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (Artikel 1 des Gesetzes v. 23. Dezember 2016, BGBl. I S. 3234) (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX)
    § 167 Prävention – Link
  • Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil – (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) § 35 Sozialgeheimnis – Link




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